Quepos / Costa Rica, am 14. April 2015
Auf meiner ersten Weltumradlung (www.lemlem.de) habe ich viel von unserer wunderbaren Erde gesehen. Aber nicht alles. Klar, alles wird man ohnehin nie gesehen haben. Und das ist auch gut so, denn wenn man "durch wäre" mit diesem einzigen bewohnten Planeten weit und breit, könnte man ja des Lebens müde werden. Das wäre doch schade.
Es gab also noch große weiße Flecken auf meiner persönlichen Weltkarte: Nordosteuropa, Russland, Zentralasien und Nord- und Mittelamerika. Ein guter Grund, noch einmal für einige Jahre auf den Drahtesel zu steigen und zu einer zweiten Weltumradlung zu starten.
Mir ist das Fahrrad das liebste Reisefahrzeug, weil man damit langsam genug ist, Menschen und Natur intensiv zu erleben. Und du siehst die Dinge, wie sie wirklich sind – oft sind sie ganz anders, als sie von zu Hause aus erscheinen. Du kannst mit dem Fahrrad aber auch schnell genug sein, um weniger interessante Streckenabschnitte zügig hinter dich zu bringen. Dass man sich immer ein bisschen mühen muss, hat schon auch seine Vorteile: Radeln hält fit, man wird in hohem Maße unabhängig, und es erfüllt einen durchaus mit Stolz, wenn man nach vielen tausend Kilometern aus eigener Kraft z.B. bei den Pyramiden am Nil angekommen ist.
Warum aber gleich um die ganze Welt? - Wir neigen dazu, die eigene, gewohnte Umgebung als "normal" anzusehen. Neulich sagte ein deutscher Reisender zu mir: "Hier in Mexiko bauen sie ja die Türschlösser falsch herum ein." In der Tat muss man den Schlüssel in die "verkehrte" Richtung drehen, um eine Tür zu öffnen. Aber wer baut jetzt eigentlich die Schlösser falsch ein? Die Mexikaner (und auch ganz Mittelamerika) oder die Europäer?
Ein banales Beispiel für unsere Vorstellung von Normalität. Schwerer wiegend ist da schon die Frage, wie gut entwickelt ein Land sein muss. Weite Teile Afrikas und Asiens gelten als unterentwickelt. Doch wer ist denn da der Maßstab? Die USA? Mitteleuropa? Japan? Sind denn ausgerechnet wir genau richtig entwickelt? Oder nicht vielleicht eher ein bisschen ... überentwickelt?
Es sind doch wirklich nicht immer wir, die alles richtig machen. Von einer Reise durch die unterschiedlichsten Kulturen rund um den Globus kann man so viel für das eigene Leben daheim mitnehmen. Herzenswärme zum Beispiel, wie man sie in Mexiko erlebt; oder besonders auch etwas von der Einfachheit des afrikanischen Kontinents. Die Afrikaner sind Menschen, die noch Bodenhaftung haben.
Wir hingegen bauen mehr und mehr Sicherheitsschichten unter uns auf. An die gewöhnen wir uns so sehr, dass wir weiche Knie bekommen, wenn wir unsere sicher erscheinende Umgebung verlassen. Manche Leute trauen sich nicht mehr allein in Gebiete, in denen es keinen Handy-Empfang gibt. "Wenn mir dort was passiert, kann ich ja niemanden benachrichtigen." War das denn früher besser, als es noch keinen Mobilfunk gab? Das ist doch verrückt: Der technische Fortschritt befreit uns nicht, er schränkt uns ein! Wir sind überentwickelt.
"Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren." Ein Zitat, das Benjamin Franklin zugeschrieben wird. Ob er es wirklich so gesagt hat, ist egal. Wichtig ist: Es trifft zu, heute mehr denn je.
Ich ziehe die Freiheit vor, auch wenn sie vordergründig etwas gefährlicher erscheint.