Mit dem Laster zur Küste

(Argentinien / Brasilien)

29.2.2016 - Itajaí (59251 km)

Mit dem Laster zur Küste

Itajaí, 28.2.2016

Seit dem Fahrraddiebstahl in San Ignacio bin ich nicht mehr zur Ruhe gekommen. Schon wieder sind mir Knüppel zwischen die Beine bzw. in die Speichen geworfen worden. Aber der Reihe nach.

Als keine Aussicht mehr bestand, dass das Fahrrad in San Ignacio wieder auftauchen würde, habe ich in der nächstgelegenen Stadt, im 60 Kilometer entfernten Posadas, ein neues Rad gekauft. Argentinische Mittelklasse, mit ungefähr einem Lichtjahr Abstand zu meinem guten Patria Terra. Lieber hätte ich einem älteren Mann, der mir in San Ignacio aufgefallen war, seinen grünen Lastenesel abgekauft. Das Rad war mit stabilen vorderen und hinteren Trägern und einer passablen Kettenschaltung ausgestattet. Als ich ihn zum dritten Mal sah, sprach ich ihn an. Aber er wollte nicht verkaufen, er brauche das Fahrrad für die Arbeit, sagte er. Er habe es in Buenos Aires für rund 500 Dollar gekauft.

In der Zwischenzeit hatte ich Franco kennengelernt. Er unterrichtet hier als Musiklehrer und unternimmt ebenfalls Radreisen. Als er von dem Diebstahl meines Rades hörte, bot er mir spontan seinen Fahrradanhänger an.

Und genau damit bin ich seit dem 14. Februar unterwegs: mit einem 400-Dollar-Fahrrad und dem stählernen Anhänger. Leichtes Gepäck ist auf dem vorderen Träger festgezurrt (vor allem die Lenkertasche mit den wichtigsten Dingen, die ich immer im Auge haben möchte), die Vorderradtaschen sind nach hinten gewandert, auf einen windigen Gepäckträger, die schweren Hinterradtaschen sind nach ganz hinten gewandert, in den Anhänger. Alles zusammen wiegt rund 70 Kilogramm. Ich habe nicht gedacht, dass es damit sooo mühsam werden würde. Das Gespann wackelt wie ein Lämmerschwanz, das Rad ist so kletterfreudig wie ein Tretboot. Damit schaffe ich ungefähr die Hälfte der üblichen Tageskilometer. Leichte Steigungen bis drei oder vier Prozent kann ich radeln, wenn es steiler wird, muss ich schieben.

 

Ärgere dich nicht, Peter. Es ist nicht so, dass du in diesen Tagen der Radtour die meiste Zeit schiebst. Du machst einen zweiwöchigen Fußmarsch, bei dem du immer wieder auch rollen lassen kannst!

 

Ich habe neulich schon geschrieben, dass Patria, Rohloff und Wilfried Schmidt Maschinenbau (SON) ein neues Fahrrad aufbauen, das nach Kapstadt geschickt werden soll.

Unterdessen hat Tine aus Göttingen, eine Freundin und engagierte Reiseradlerin, die Transportkette von Deutschland nach Kapstadt organisiert. Ihre Kollegin Gabi fliegt zeitlich sehr passend Mitte März nach Kapstadt und hat sich bereit erklärt, das neue Fahrrad mitzunehmen. Bei der Lufthansa kann sie das Rad unzerlegt und unverpackt aufgeben. Die scheinen so etwas wie Dachgepäckständer im Transportraum zu haben. Toll!

In Kapstadt wird dann Erik, der vor 40 Jahren aus Deutschland ausgewandert ist und heute eine Herberge in der Nähe von Kapstadt führt, das Rad entgegennehmen und aufbewahren, bis ich in Kapstadt ankomme. Vielen Dank an Erik und auch an Uwe Ellger aus dem Radreise-Forum, der diesen Kontakt hergestellt hat.

Drei Tage nach dem Start mit meinem trägen Lastwagengespann in San Ignacio kam ich in Puerto Iguazu an. Da die Straße parallel zum Paraná-Fluss sehr hügelig ist, schaffte ich nur 80 Kilometer pro Tag (bei ca. 1200 Höhenmetern), von denen ich 20-30 Kilometer schob. Das alles bei gnadenlosem Klima: zwar nur etwa 34 Grad, aber fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Die Kleidung war von oben bis unten immer klatschnass, der Schweiß tropfte von den Handgelenken auf die Straße und von den Hosenbeinen in die Sandalen. (Im -> Interview mit dem Bayerischen Rundfunk habe ich versucht, die Strapazen zu verdeutlichen, aber Frau Rosshirt hätte trotzdem gerne mit mir getauscht, weil es in München an dem Tag graue 8 Grad hatte. Ich hätte gern mit ihr getauscht.).

In Puerto Iguazu dann die Nachricht der Wuppertaler Agentur "Frachtschiffreisen Pfeiffer", dass das vor Monaten gebuchte Schiff von Rio de Janeiro nach Kapstadt in Asien bleibt und damit meine Passage nach Südafrika hinfällig ist. Eine Alternative gibt es für die nähere Zukunft nicht. Einzige Möglichkeit: Umbuchen auf die MV MOL Garland, die aber zwei Wochen früher fährt. Bis nach Rio hätte ich es in der verbleibenden Zeit mit meinem alten Rad mit Mühe schaffen können, mit dem argentinischen Laster auf gar keinen Fall.

Der 80jährige deutschstämmige Ilton "Tito" Steingräber in Joinville / Brasilien fand mein Fahrrad schick.

 

Also entweder in den Bus setzen und nach Rio fahren oder ... einen Hafen weiter südlich ansteuern, in dem die MOL Garland auch anlegt. Die Zeit drängt, innerhalb eines Tages kann die Agentur in Wuppertal alles regeln. Ich werde in Itajaí auf das Schiff gehen. Mir bleiben noch elf Tage á 80 km, das ist machbar, solange es keine größeren Pannen an dem windigen Fahrradgespann gibt. Der Weg über Cascavel und Curitiba ist weiterhin hügelig, jedoch nicht mehr gar so sehr wie in den ersten drei Tagen (die 1200 bis 1400 Höhenmeter verteilen sich jetzt auf 100 statt auf 80 Kilometer). Als ich mit etwas längeren Tagesetappen von bis zu 117 Kilometern gerade einen Tag Reserve herausgefahren habe, kommt die Nachricht, dass die MOL Garland eineinhalb Tage vorzeitig ablegt. Es ist zum Verzweifeln: Gerade will ich durchatmen, da wird der Druck auf den Brustkorb noch einmal erhöht

Gestern - am 27. Februar - bin ich nun endlich in Itajaí angekommen, selten habe ich ein Ziel so sehr herbeigesehnt. Von den 1150 Kilometern seit San Ignacio habe ich etwa 300 Kilometer schieben müssen. In ein paar Stunden wird mich der lokale Agent abholen, den Einlass in den Hafen organisieren und mich zum Schiff bringen (Inch'allah...). Wenn das alles klappt, bin ich erst etwa Mitte März wieder erreichbar. Dann auf meinem Lieblingskontinent.

Grüße aus Itajaí - Peter

 


Itajaí, 29.2.2016

Jetzt gab es zum Glück keine bürokratischen Überraschungen mehr - seit heute Morgen um 3:00 Uhr bin ich an Bord der MV MOL Garland. Auch für dieses Schiff ist es vorerst die letzte Fahrt nach Afrika, danach bleibt es in asiatischen Gewässern. Somit dürfte es für Monate keine Möglichkeit mehr geben, als Frachtschiffpassagier von Südamerika nach Südafrika zu fahren. (Es gibt natürlich andere Frachtschiffe auf dieser Route, aber sie dürfen keine Passagiere mitnehmen.)

Wie auf der Überfahrt von China nach Kanada vor zwei Jahren bin ich übrigens wieder der einzige Fahrgast.

Bis bald - Peter

 
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Maks

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