Abgewiesen

(Kasachstan)

24.7.2013 - Kegen / Kasachstan (8869 km)

Issyk-Köl, der große See im Osten Kirgistans, ist von Almaty keine 70 Kilometer entfernt. Auf der Luftlinie. Da aber hohe Bergketten dazwischen liegen, sind es auf der Straße bis nach Cholpon Ata am Nordufer des Sees 450 Kilometer - gleich, ob man das Gebirge westlich oder östlich umfährt.

Ein Cowboy im Südosten Kasachstans.

Der östliche Bogen wird in meinem Reiseführer als ruhiger und landschaftlich sehr reizvoll beschrieben. Es gibt hier, im Hochtal des Karkara-Flusses, einen Grenzübergang zwischen Kasachstan und Kirgistan, der von April bis Oktober geöffnet ist. Allerdings gehen Gerüchte im Internet um, dass die Grenze dort wegen Unruhen vor einigen Tagen geschlossen wurde. Als ich auf dem Weg durch Almaty an einem Tourist Office vorbeikomme, erkundige ich mich nach der Lage. Die Dame hinter dem Schreibtisch bleibt jedoch abgelenkt durch ihren Computer, und so entwickelt sich ein etwas merkwürdiges Gespräch:

"Ich möchte gern im Karkara-Tal nach Kirgistan ausreisen; ist die Grenze offen?"

"Ja, das geht. Am besten fliegen Sie."

"Äh, danke. Und überland? Durch das Karkara-Tal? Ist die Grenze offen?"

"Ach so, das geht auch. Es fahren täglich mehrere Busse direkt nach Bishkek."

"Danke. Ich möchte allerdings nicht nach Bishkek fahren, sondern nach Osten und über den Grenzübergang im Karkara-Tal nach Kirgistan ausreisen. Ist die Grenze dort offen?"

"Ja, klar, die Grenze ist offen."

Die Antwort gefiel mir natürlich. Aber einer Glaskugel hätte ich genauso viel Vertrauen geschenkt.

Moslemischer Friedhof bei Karkara.

Östlich von Almaty verläuft auf etwa 100 Kilometern Länge der Almaty-Kanal - parallel zu den Bergketten und quer zu den Flüssen, die dort oben entspringen. Er ermöglicht die Bewässerung auch der flussfernen Landstriche. Der Kanal wird von einer kleinen Straße begleitet, auf der nur alle Viertelstunde mal ein Auto vorbeikommt. Hier fährt es sich wie auf einem europäischen Radwanderweg.

Wieder zurück auf der Hauptstraße, überholt mich ein Bus mit chinesischem Kennzeichen. Mir wird plötzlich bewusst, wie nah China schon ist: Der Bus wird in zwei Stunden in seiner Heimat sein. Für mich ist China allerdings noch weit weg, denn neben Kirgistan möchte ich mir auch noch Usbekistan und Tadjikistan anschauen.

Hinter Shilik wird es bergig, die Straße steigt an und führt zum Charyn-Canyon, der recht spektakulär sein soll. Ich kann es nicht beurteilen, denn ausgerechnet hier brechen die Wolken auseinander. Ein furchterregendes Gewitter setzt ein, das alles verhüllt. Den Canyon erkenne ich daran, dass es bergab und gleich nach der Flussüberquerung wieder bergauf geht.

Mit dem Städtchen Kegen erreiche ich das Hochtal der Flüsse Kegen und Karkara, die hier zusammentreffen. Nun ist die Grenze nur noch knapp 30 Kilometer entfernt. Längst bin ich zuversichtlich, dass sie tatsächlich offen ist, denn in beiden Richtungen sind auch kirgisische Autos unterwegs.

Im Karkara-Tal

Um acht Uhr morgens breche ich in Kegen auf. Starker Wind bläst mir ins Gesicht, die Straße steigt immer noch leicht an, hinter dem Dorf Karkara geht sie in eine Piste über. Links windet sich der Karkara-Fluss durch saftige Wiesen, auf denen Pferde und Schafe grasen, vereinzelte Jurten stehen im Tal. Dahinter erheben sich schneebedeckte Berge.

Die Grenzstation ist schon aus etlichen Kilometern Entfernung auf der langen Pistengeraden zu erkennen. Nur langsam arbeite ich mich voran, der Wind hat nicht nachgelassen. Für die 28 Kilometer von Kegen bis zur Grenze brauche ich drei Stunden.

Zuerst muss ich zum Zoll. Der Zöllner sitzt in einer kleinen Baracke und fragt etwas muffelig, was ich in den Taschen habe. Das kann ich auf Russisch gar nicht ausdrücken, nur Palatka (Zelt) fällt mir ein. Er scheint aber keine Lust zu haben aufzustehen, um selbst einen Blick in die Taschen zu werfen. Seine Pflicht erfüllt er dadurch, dass er sich den Inhalt der Lenkertasche, die ich in der Hand halte, genau zeigen lässt.

Vier Kilometer vor mir liegt der Grenzübergang zu Kirgistan.

Am Schalter für die Passkontrolle wird eine Kamera auf mich ausgerichtet. Offenbar zeichnen sie hier alles auf. Der Mann macht einen freundlicheren Eindruck. Aber er stutzt, als er auf die Migrationskarte schaut: Registrierungen nur für Juni? Ich bräuchte doch auch eine für den Juli.

Wie bitte? Eine Registrierung für jeden Monat? Das ist ja schon wieder eine neue Interpretation der Regeln! Jetzt holt mich dieses Registrierungsproblem also doch noch ein. Es scheint keine klaren Bestimmungen zu geben, zumindest sind sie nicht allgemein bekannt. In Kostanay im Norden sagte man mir, ich müsse mich in Astana noch einmal registrieren, dort meinten sie aber, es sei nicht nötig. Trotzdem gaben sie mir den Stempel. Und hier an der Grenze reichen nun gar die zwei Registrierungen nicht?

Nein, sagt der Uniformierte, die für den Juli fehlt. Die muss mir die Immigrationspolizei in Kegen geben.

Ich soll zurück nach Kegen? Ich bin mit dem Fahrrad da.

Der Mann zuckt mit den Schultern. Da könne er nichts machen, er sei Soldat. Immigration sei Polizeiangelegenheit.

Aber eine Registrierung muss doch reichen, man braucht sich doch nicht in jedem Monat zu melden.

Doch, muss man. Und er könne mich nicht einfach durchlassen, sagt er. "Mein Boss sperrt mich ein, wenn er diese Migrationskarte sieht."

Es ist nichts zu machen, da hilft kein enttäuschtes Gesicht - ich muss zurück.

Wind und Wut treiben mich auf dem Rückweg an. Nach weniger als eineinhalb Stunden bin ich wieder in Kegen. Hoffentlich kommt die Polizei hier nicht zu dem Schluss, dass ich schwerwiegend gegen die Meldepflicht verstoßen habe. Sonst bekomme ich sogar noch einen kostenlosen Transfer zurück nach Almaty.

 
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Maks

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